Die Werke/der Nachlass des Dichters (Briefe, Manuskripte, Fotos u.a. Materialien) wurden im Juni 2023 dem Deutschen Literaturarchiv Marbach (Deutsche Schillergesellschaft e.V. Marbach a.N. übergeben. (https://www.dla-marbach.de ) Sie stehen dort zur Verfügung.
In der August 2023-Ausgabe des Monatsmagazins Vatican (FE-Medienverlag 88353 Kisslegg Hauptstr. 22 (www.vatican-magazin.de) wurde mit der Überschrift ´Das Wunder der Bekehrung – Ein schweres Leben, das merkwürdig tröstet – ein aufschlussreicher Aufsatz zur katholischen Konversion José Orabuenas veröffentlicht (S.32-35). Im Jahre 1952 bekannte sich der Dichter im Kloster Einsiedeln (Schweiz) zum Christentum und seinen jüdischen Wurzeln. Konversion bedeutete ihm nicht Abkehr von den Urgründen des Judentums, sondern sie galt ihm als ´Fortführung unseres geistigen, seelischen und geistlichen Lebens auf veränderter Grundlage.
Von Dr. Wolfgang Reif wurde 2022 eine wissenschaftlich fundierte, neueste Erkenntnisse erfassende und das gesamte Schaffensspektrum Orabuenas bewertende Publikation erarbeitet: Literat und Dichter - Hans Sochaczewer alias José Orabuena Igel Verlag Hamburg - ISBN 978-3-946958-11-4 Die Studie bietet neben einem biographischen Abriss und der Vorstellung seines Werks insbesondere die Analyse der Romane ´Die Untat (1931) und ´Groß ist deine Treue (1959) . W.Reif kommt zu dem Ergebnis, dass Kontinuität zwischen dem Werk Hans Sochaczewers und dem José Orabuenas nachweisbar ist.
In Folge von ´Der du bist und mich kennst ist eine zweite Anthologie von ausgewählten Orabuena-Texten nebst literaturtheoretischen Betrachtungen in Vorbereitung. Titel: ´Wir haben das Maß dazu` – Die friedensstiftende Literatur José Orabuenas
Zu Jahresbeginn 2019 ist im Aschendoff-Verlag Münster unter dem Titel ´José Orabuena: Der du bist und mich kennst – und andere Erzählungen` eine biographische Anthologie, ausgewählt und eingeführt von Joseph Rieger, erschienen. (ISBN 978-3-402-12078-1)
Das 240-seitige Buch beinhaltet 13 legendäre Geschichten des verstorbenen Schriftstellers; sie sind eingeordnet und biographisch ausgeführt in 5 seiner Lebensthemen: Vom Schreiben, Vom Glauben, Vom Vergeben, Vom Träumen, Vom Sterben . Jedes Kapitel gewährt bedeutsame Einsichten in eben diese existentiellen Bereiche.
Die in diesem Band vereinigten Kleinode seiner Kunst bezeugen José Orabuena als einen der erschütterndsten, heilsamsten und sprachlich anspruchsvollsten Erzähler des 20.Jahrhunderts.
Anstatt eines geordneten ´Lebenslaufs` , -einer chronologischen Biographie – ,
sei das Kennenlernen des nahezu vergessenen Schriftstellers José Orabuena mit einer Erklärung des doch seltsam schönen, doppelsinnigen, fremdartigen Namens begonnen.
Zunächst:
José, die spanisch-portugiesische Form des Vornamens Josef/Joseph (= Vermehrer/Ernährer) war keineswegs der Geburtsname des Autors; – dieser lautete vielmehr: ´Hans `. –
Orabuena ist leicht im Zusammenhang mit dem spanischen Grußwunsch ´en hora buena` (= gute, erfüllte Zeit/Stunde) zu verstehen. Doch auch dieser Nachname war nicht der ursprüngliche Familienname des Schriftstellers; – dieser lautete nämlich : ´Sochaczwer`. –
Hans Sochaczewer war am 10.August 1892 in Berlin als Sohn einer säkular-jüdischen Kaufmannsfamilie geboren worden.
Die Autobiographie “ Im Tale Josaphat“ beinhaltet ausführliche Auskünfte zum Zustandekommen des neuen Zunamens ´José`, mithin zur Benennung ´José Orabuena` überhaupt. Die eigenen, hochinteressanten Erläuterungen des Autors zu seiner Selbstbezeichnung sollen an dieser Stelle nicht thematisiert werden. Doch angedeutet sei, dass sich die neue Identität in organischer Verbindung mit seinem schriftstellerischen Schaffen vollzogen hat, wobei durchaus irreale Züge zu vermerken wären. Zum Beispiel berichtet der Autor auf S. 255/256 der Lebensbeschreibung von Träumen aus dem Jahre 1946, in denen ihm der fiktive David Orabuena, der ´Held` seines ersten großen, bereits 1938 abgeschlossenen Wilna-Buches, erschienen sei und gebeten habe, erneut von ihm und den Seinen zu erzählen. Quasi als Belohnung für weitere Orabuena-Dichtungen wurde dem Schriftsteller im Verlauf der nächtlichen Eingebung vom Romanprotagonisten eine Art Adoptionsangebot unterbreitet:
„Und du, mir Befreundeter, heiße fortan gleich mir und du wirst nicht schlecht daran tun, dir den Vornamen ´José ` zu wählen und nun höre.“
Wie parapsychologisch es auch erscheinen mag, der imaginäre Rat der Romanfigur wurde in die und in der Tat umgesetzt, wiewohl bis zum endgültigen Entschluss noch viele weitere Ursachen und Gründe hinzutraten, die die Namensänderung unumgänglich, nahezu notwendig machten. Der Schriftsteller war bereits ein gereifter Mittfünfziger, als er vermutlich im Zusammenhang mit dem Erwerb der britischen Staatsbürgerschaft 1948 in Manchester den Namen José Orabuena offiziell annahm und von nun an führte. Doch Sochaczewer hin – Orabuena her , im Geschehen der Identitätsfindung klingt jedenfalls eine faszinierende Charaktereigenschaften des Autors an: Die zunehmend transzendente, auf unwillkürliche ´Offenbarungen`, auf traumhafte Impulse hin orientierte Befindlichkeit des Autors, – zudem seine Verschmolzenheit mit den Werken bzw. seinen literarischen Geschöpfen. Das ´Reich der Phantasie` war und wurde die Welt Orabuenas.
Eine zweite Eigentümlichkeit des Schriftstellers sei hier vorweggenommen: Seine zumindest zu Lebzeiten auffällige künstlerische Erfolglosigkeit, die er allerdings mit vielen seiner Artgenossen teilt.
Bedauerliche Worte hierzu fand der bedeutenden Theologe und Hagiograph Walter Nigg (1903-1988):
„Von einem kleinen Leserkreis bewundert, von sachkundigen Kritikern geschätzt, blieb ihm die breite Wirkung ( und auf sie wäre es ihm sicher mehr angekommen als auf ´Anerkennung` ) versagt. Dass dies bei einem Dichter, der ein so bedeutendes, von tiefer Menschlichkeit geprägtes erzählerisches Werk geschaffen hat, der ( um nur zwei Beispiele zu nennen ) in seinem im dänischen Exil entstandenen Roman ´Groß ist deine Treue` eine der eindrucksvollsten Schilderungen jüdischen Lebens gab, dessen Autobiographie ´Im Tale Josaphat`sich würdig in die Reihe der bedeutenden Selbstdarstellungen unserer Tage einreiht, dass dies bei einem solchenAutor geschehen konnte, gehört zu den Rätseln literarischer Rezeption.“ (Vorwort im ´Urlicht`)
Umso mehr jedoch suchte W. Nigg dem entgegenzuwirken, indem er wo immer möglich die Wahrhaftigkeit und wohltuende Wirksamkeit der Werke Orabuenas pries sowie eine persönliche Freundschaft zum Schriftsteller pflegte. Die treffendsten und eindrücklichsten Lebensbilder über Orabuena finden sich demnach sicherlich in den anschaulichen Essays von W. Nigg, welche z.B. in seinen Büchern ´Was bleiben soll` und ´ Heilige und Dichter` enthalten sind. ( siehe auchwww.unifr.ch/dogmatik/de/Projekte/Nigg http:/fns.unifr.ch/walter-nigg/de
José Orabuena selbst teilte Betrachtungen seines Lebens gerne in drei Gesichtspunkte bzw. Entwicklungsphasen ein, nämlich ´Wie ich zu schreiben lernte`, ´Wie ich zu glauben lernte`, Wie ich zu sterben lernte`. Dass diese Strukturierung äußerst effektiv und sinnvoll ist, davon zeugt die dieser Website eingefügte gleichnamige Rundfunksendung des SWR aus dem Jahre 1984, in welcher Prof. Andreas Heinecke ´Stationen im Leben des José Orabuena` aufzeichnete. Wegen des Umfangs (30 Min., 306MB) wird dieses Hörbild im Folgenden komprimiert und halbiert wiedergegeben: (Bitte beim Drecksymbol links vorne anklicken)
Hier noch antiquarische Buchempfehlungen u.a. mit Schwerpunktbereichen:
J.Orabuena: Groß ist deine Treue,Zürich/Paderborn 1959
(Ostjuden, jüd.-christl.Dialog)
Mittels des hier auf dieser Órabuena-website` angebotenen akustischen Biographiebeitrags Prof.Heineckes bzw. des SWR mag manch eine/r nunmehr interessiert zu einem der Orabuena-Bücher (z.Z.leider nur antiquarisch erhältlich) gegriffen, – es aber vielleicht bald wieder beiseite gelegt haben. Der verschnörkelte, verschachtelte, altmodische, wohlfeile Sprachduktus des Dichters widersetzt sich oftmals dem gewohnten Lesefluss, der Nachvollzug gerät leicht ins Stocken. Am eingängigsten zum Vertrautwerden mit Autor und Werk eignet sich m.E. die Lektüre des Hauptromans “ Groß ist deine Treue„, wobei u.a. ein sympathisch gezeichnetes Judentum sowie berührende Gebetsvariationen stets zum Weiter- und Wiederlesen motivieren. Kaum jemand möchte sich den aus der Seele kommenden, aufskizzierten Morgen- und Abendgebeten (z.B. S. 373, 400,442…) entziehen, erst recht nicht dem innigen Dank des ´Romanhelden`:
„Ich danke dir, Gott, für alle Gnade und Hilfe. Für allen Schutz und alle Treue.
Ich danke dir, dass ich mich dir nahe fühlen darf und als dein Kind.
Ich danke dir, dass du mir die einsicht gabst zu wissen, es ruhe aller Entscheid bei dir,
und dass du mir gewährtest hierin Trost zu finden und Beruhigung.
Ich danke dir, dass ich zu dir beten darf, wann und wo immer es sei.“
Ebenfalls nicht allzu schwierig zum Kennenlernen des Schriftstellers dürfte sich die Auseinandersetzung mit seinem letzten Roman „ Tragische Furcht“ anlassen. Das 1965/66 verfasste Manuskript geht auf eine wahre Begebenheit zurück, die sich aktuell in Italien ereignete. Ein junger Sizilianer erlebt eine aüßerst karge Jugend und Ehe. Selbst die abgöttisch geliebte Tochter kann ihn nicht davor bewahren, dass er eines Tages affektiv seine Frau erschlägt und lebenslänglich ins Zuchthaus kommt. 1968 schrieb Orabuena an seinen Brieffreund Major Amstutz zur andauernden Ablehnung und Kritik am Roman:
„Es ist durchaus möglich, dass die wenigen Leser, die ich erworben habe, durch die freilich andere Art des Erzählens abgeschreckt werden. Hieran jedoch hatte und habe ich sowenig zu denken wie überhaupt der Gedanke an Leser mir weder kommt noch kommen darf, wenn ich arbeite. Ich muss alles gemäß der mir eingegebenen Einsicht so bilden, wie es der inneren Wahrheit jener Geschöpfe (Gestalten) entspricht; ich muss mich in deren Leben, deren Fehler, Verfehlungen, Sünden oder Glück und Enttäuschung finden; nicht in die Gedanken jener, die mich vielleicht lesen, nachdem meine Arbeit sich von mir schon gelöst hat, fertig ist. … “
José Orabuena selbst hat seine ´Tragische Furcht` als Dichtung „völlig anderer Natur in ´background` und Artung als alles Bisherige“ bezeichnet. Und Walter Nigg schrieb danach: “ Wer dem Dichter hier und da vorwirft, er schildere eine heile Welt, die es gar nicht gebe, verstummt vor der ´Tragischen Furcht`von selbst. … José Orabuena führt uns an die Abgründe des Lebens und lässt zugleich die letzte Höhenschau erfahren. Es hat viel Schweres in diesem Buch, und doch wiederum fühlt sich der Mensch merkwürdig getröstet.“ (Nachwort S. 287/288).#
Mit freundlicher Genehmigung des SRF folgt ein Rundfunkbeitrag von Walter Nigg,
gesendet am 30.7.1972. (Bitte beim Dreieckzeichen links anklicken)